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Dr. Sven Friedrich
Bayreuth

Gegründet von den Grafen von Andechs-Meranien wurde Bayreuth 1194 durch Bischof Otto II. von Bamberg als »Baierrute« erstmals urkundlich erwähnt und erhielt 1231 das Stadtrecht. Im Jahre 1260 wurde die Stadt an die Burggrafen von Nürnberg und damit an die fränkischen Hohenzollern vererbt. Damit begann die Dynastie der Markgrafen von Brandenburg-Culmbach, welche die Geschichte der Stadt und der Region über ein halbes Jahrtausend bestimmen sollte. Die Stadt entwickelte sich nur langsam und wurde immer wieder von Kriegen und Seuchen heimgesucht: 1430 von den Hussiten erobert und zerstört forderte 1602 eine Pestepidemie über 1000 Todesopfer, 1605 und 1621 zogen große Brände die Stadt schwer in Mitleidenschaft. 1533 war durch Markgraf Georg mit einer neuen Kirchenordnung die Reformation eingeführt worden. Der Wendepunkt der Stadtgeschichte war der Regierungsantritt des Markgrafen Christian im Jahre 1603. Er verlagerte seine Residenz von der Kulmbacher Plassenburg in das Alte Schloß von Bayreuth. Durch die neue Funktion als Residenzstadt änderten sich Bevölkerungsstruktur und Stadtbild. Aus der Handwerker- wurde eine Hofbeamtenstadt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt zwischen 1632 und 1634 drei Mal von kaiserlichen Truppen eingenommen, verwüstet und geplündert, wodurch der begonnene Ausbau der Residenzstadt stagnierte. Nach 52jähriger Regentschaft starb Markgraf Christian 1655. Sein Enkel Christian Ernst regierte von 1661 bis 1712. Seine Blütezeit erlebte Bayreuth ab 1735 unter der Regentschaft des Markgrafenpaares Friedrich und Wilhelmine, der kunstsinnigen Lieblingsschwester Friedrichs des Großen. Bis 1763 entstanden in rascher Folge die repräsentativen Bauten und Anlagen, die das Stadtbild noch heute prägen: das Markgräfliche Opernhaus, das wohl schönste erhaltene Barocktheater Europas, das 1748 anläßlich der Hochzeit der Prinzessin Elisabeth Friederike eingeweiht wurde, die Eremitage, das Neue Schloß, die Friedrichstraße und der Hofgarten. Wilhelmine unterhielt ein Opernensemble, eine Ballett- und eine Schauspieltruppe, Markgraf Friedrich, ein kultivierter und gebildeter Fürst der Aufklärung, gründete 1742 in Bayreuth eine Universität, die jetzige Universität Erlangen, und 1756 eine Kunstakademie. Die Bayreuther Hofkunst orientierte sich an französischen Vorbildern, sie bevorzugte Künstler aus Frankreich und Italien. 1769 verlor die Stadt die Residenz, nachdem das Fürstentum als Erbschaft an den Ansbacher Markgrafen gefallen war. Nach dem Rücktritt des Markgrafen Alexander fiel das Fürstentum Bayreuth 1792 zunächst an das Königreich Preußen. Nach 1806 hatte die Stadt stark unter der napoleonischen Besatzungsmacht zu leiden, die immer wieder Kriegskontributionen erpreßte, und fiel schließlich 1810 an das Königreich Bayern. 1804 hatte sich Jean Paul in Bayreuth niedergelassen und lebte hier bis zu seinem Tod 1825.

Als Beleg für Wagners Entschluß, zum Zwecke der Realisierung des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen im exklusiven eigenen Theater von Tribschen nach Bayreuth zu übersiedeln, wird oftmals die Tagebuch-Notiz Cosimas vom 5.3.1870 angeführt, in der es heißt: »Wie wir nachher von der Aufführung dieser Dinge sprechen, sage ich R., er solle doch im Conversationslexikon nachschauen, Artikel Baireuth; diesen Ort hatte R. genannt als den, den er wählen wollte, zu unsrer Freude lesen wir unter den Gebäuden ein prachtvolles altes Opernhaus darin aufgeführt!«. In der Tat wird das leerstehende Markgräfliche Opernhaus den Ausschlag für die nachfolgende Informationsreise nach Bayreuth gegeben haben. Jedoch erkannte Wagner sofort, daß das Markgräfliche Opernhaus als hochbarocker Theaterbau für seine Zwecke zu klein und ungeeignet war. Indessen erfüllte Bayreuth Wagners Vorstellungen als Festspielort und Altersruhesitz, dessen gedankliche Planung gleichwohl schon weit vor 1870 zurückreicht. Beispielsweise hatte Wagner bereits am 20.2.1866 in einem Brief an Hans v. Bülow geäußert: »Ich wünschte, der König gäbe mir einen Pavillon des Bayreuther Schlosses zum Ruhesitz: Nürnberg in der Nähe - Deutschland um mich herum. -«. Bayreuth ist Wagner also bereits zu Beginn der Tribschener Zeit als potentieller Wohnsitz (und damit auch Festspielort) gegenwärtig. Wenige Wochen später, um Mitte März 1866 diktierte er Cosima auch jene Stelle seiner Autobiographie Mein Leben, die von seiner ersten Begegnung mit Bayreuth auf einer Reise von Karlsbad nach Nürnberg im Juli 1835 erzählt: »Die Fahrt durch Eger, über das Fichtelgebirg, mit der Ankunft in dem vom Abendsonnenschein lieblich beleuchteten Bayreuth, wirkte noch bis in späteste Zeiten angenehm auf meine Erinnerung.« Schon in den 50er Jahren hatte Wagner im Zuge der Genese der Festspiel-Idee auch seine Vorstellung über die Beschaffenheit des Ortes entwickelt, an dem diese Festspiele einst stattfinden sollten. Dabei war natürlich der dem Festspiel-Gedanken zugrunde liegende Ring des Nibelungen mit seiner Zivilisations- und Industriekritik einerseits sowie seiner Naturemphase andererseits maßgeblich. So schrieb Wagner am 30.1.1852 an Franz Liszt, daß er seine Werke »am Liebsten in irgend einer schönen Einöde, fern von dem Qualm und dem Industrie=pestgeruche unsrer städtischen Civilisation« dem Publikum vorstellen würde (Sämtliche Briefe Bd. 4, S. 270). 1862 hatte Wagner dann im Vorwort zur Herausgabe der Dichtung des Bühnenfestspiels »Der Ring des Nibelungen« programmatisch geäußert: »Es kam hierbei vor allem mir darauf an, eine solche Aufführung, als frei von den Einwirkungen des Repertoireganges unserer stehenden Theater mir zu denken. Demnach hatte ich eine der minder großen Städte Deutschlands, günstig gelegen, und zur Aufnahme außerordentlicher Gäste geeignet, anzunehmen, namentlich eine solche, in welcher mit einem größeren stehenden Theater nicht zu kollidieren, somit auch einem großstädtischen eigentlichen Theaterpublikum und seinen Gewohnheiten nicht gegenüberzutreten wäre.« (SSD Bd. 6, S. 273). In einem Brief an Friedrich Feustel vom 1.11.1871 begründete Wagner die Wahl des Ortes Bayreuth folgerichtig: »Der Ort sollte keine Hauptstadt mit stehendem Theater, auch keiner der frequentesten großen Badeörter sein, welche gerade im Sommer mir ein durchaus ungeeignetes Publikum zuführen würden; er sollte dem Mittelpunkte von Deutschland zu gelegen, und ein bayerischer Ort sein, da ich zugleich an eine dauernde Uebersiedelung für mich dabei denke, und diese im Fortgenuß der vom Könige von Bayern mir erwiesenen Wohlthaten, nur in Bayern zu treffen für schicklich finden muß. Außerdem hat mir schon in frühester Zeit dieser freundliche Ort mit seinen Umgebungen einen anziehenden Eindruck hinterlassen […]« (Bayreuther Briefe, S. 14ff.). Am 23.11.1871 fügte er hinzu: »Sie haben nur den Wink meines guten Dämons bestätigt, der mir, als ich nach dem Flecke deutscher Erde suchte, auf dem ich endlich mich auch bürgerlich heimatlich niederlassen sollte, dieses fast unbeachtete, so freundlich in Deutschland’s Mitte liegende Bayreuth aus ferner Jugenderinnerung hervorrief« (ebd., S. 25f.).

Mit der Übersiedelung Richard Wagners und seiner Familie von ►Tribschen nach Bayreuth 1872, Bau und Bezug des Wohnhauses ►»Wahnfried« am Hofgarten 1874 sowie Errichtung des Festspielhauses am »Grünen Hügel« und Durchführung der 1. Festspiele 1876 mit der Gesamt-Uraufführung des vollendeten Ring des Nibelungen begann jene bis heute andauernde Epoche der Stadtgeschichte, die Bayreuth geradezu zum Inbegriff für Wagner und die Festspiele gemacht hat. Das internationale Interesse, das Bayreuth als Festspielort und kulturellem wie geistigem Zentrum etwa seit der Jahrhundertwende zuteil wurde, führte zu einer erheblichen konjunkturellen Belebung und Fortentwicklung der damals knapp 18.000 Einwohner zählenden Stadt. Hochrangige Musiker und Literaten, aber auch immer mehr Prominenz aus Wirtschaft und Politik unter den Festspielbesuchern sorgten dafür, daß sich der Begriff »Bayreuth« im kulturellen, geistigen und gesellschaftlichen Leben Europas fest etablierte. Gerade aber auch die hagiotrophe posthume Wagner-Rezeption und die Institutionalisierung der Bayreuther Festspiele im deutschtümelnden und nationalistischen Kontext der Ära Cosima und Siegfried Wagners erhob den Begriff »Bayreuth« zum Synonym der ästhetischen, geistigen und auch ideologischen Kategorien einer hypertrophierten Wagnerschen Kunstreligion. Der ►»Bayreuther Kreis« publizierte und propagierte dabei seinen Kulturbegriff in den ►»Bayreuther Blättern« als einer Art Zentralorgan des Wagner-Kultes. Dessen nationalkonservative und antisemitische Tendenzen führten zunehmend von ästhetischen auf politische Fragen, welche die deutsche Kultur im allgemeinen und Wagner-Bayreuth im besonderen im Zusammenhang mit dem völkischen Denken als Ausdruck und Leitbild einer abendländisch-arischen Herrenkultur begriff, Bayreuth so zum Sammelbecken demokratiefeindlicher nationalistischer Tendenzen machte und auf diese Weise maßgeblich den Boden für die nationalsozialistische Inanspruchnahme Wagners wie Bayreuths bereitete. Gerne hatte sich die Nazi-Hochburg Bayreuth dabei ihrerseits als »Kraftzentrum des Nationalsozialismus« feiern lassen und Hitler frenetisch bejubelt, der bei seinen regelmäßigen Festspielbesuchen engsten Wahnfried-Familienanschluß genoß. Die besondere Rolle, die Bayreuth und Wagner propagandistisch und persönlich für Adolf Hitler gespielt hatten, mußte die Stadt bei Kriegsende büßen. In den letzten Kriegswochen des April 1945 wurde die Stadt mehrfach Ziel schwerer Bombenangriffe und zu einem Drittel zerstört (darunter auch ►Wahnfried), wobei rund 1000 Menschen ums Leben kamen. Nach dem Krieg dehnte sich die Stadt durch zahlreiche Neubauviertel weit in ihre Umgebung aus. Nach dem Wiederbeginn der ►Festspiele im Jahre 1951 ist das bedeutendste Ereignis der Nachkriegsgeschichte der Stadt zweifellos die Gründung der 7. Bayerischen Universität, die 1975 den Lehrbetrieb aufnahm. Zum Zentenarium der Festspiele 1976 wurde im wieder aufgebauten Haus ►Wahnfried das von der 1973 gegründeten ►Richard-Wagner-Stiftung getragene ►Richard-Wagner-Museum mit Nationalarchiv und Forschungsstätte errichtet. Mit knapp 75.000 Einwohnern ist Bayreuth heute die größte Stadt Oberfrankens, Sitz der Bezirksregierung und seit 1993 als Oberzentrum ausgewiesen.

 

Literatur

R. Trübsbach, Geschichte der Stadt Bayreuth 1194-1994, Bayreuth 1993. · C. Wagner, Die Tagebücher Bd. 1, München, Zürich 21980, S. 205. · R. Wagner, Bayreuther Briefe (1871-1883) [= Richard Wagners Briefe in Originalausgaben, Zweite Folge, Band XV], Leipzig 21912. · R. Wagner, Briefe an Hans v. Bülow, Jena 1916, S. 244. · R. Wagner, Mein Leben, hrsg. v. M. Gregor-Dellin, München 1963, S. 112f. · R. Wagner, Sämtliche Briefe, Bd. 4, hrsg. im Auftrage der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth von G. Strobel und W. Wolf, Leipzig 32000. · R. Wagner, Sämtliche Schriften und Dichtungen (Volksausgabe) [SSD] VI, Leipzig o.J.

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