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Richard-Wagner-Stiftung

Bereits Richard Wagner selbst hatte über die Errichtung einer Stiftung zur Finanzierung der Festspiele nachgedacht (erstmals 1862 im Ring-Vorwort, SSD Bd. 6, S. 280f., später in Briefen an König Ludwig II. vom 21. Oktober 1876 u. 31. März 1880, Königsbriefe, Bd. 3, S. 96 u. 172f. sowie Cosima-Tagebücher v. 23. u. 25. Oktober 1879, Bd. 2, S. 429f.). Zu seinen Lebzeiten konnte eine solche Stiftung allerdings nicht realisiert werden. 1884 beschloß der »Allgemeine Richard-Wagner-Verein« die Errichtung einer Richard-Wagner-Stiftung, deren Hauptgegenstand die Festspiele und das Festspielhaus sein sollten. Dies hätte allerdings die faktische Entmachtung der Familie Wagner von der Festspielleitung bedeutet, weshalb diese eine solche Stiftung ablehnte. 1914 griff Siegfried Wagner, der 1907 die alleinige Leitung der Festspiele übernommen hatte, den Gedanken einer »Richard-Wagner-Stiftung für das deutsche Volk« jedoch wieder auf. Gegenstand sollten das Festspielhaus und das Haus ►Wahnfried sein (Karbaum, S. 57). Der Erste Weltkrieg verhinderte jedoch zunächst die Fortführung der Festspiele und damit auch der Stiftungs-Idee. Nach dem Krieg war die Fortsetzung der Festspiele durch Wirtschaftkrise und Inflation zunächst nicht möglich. Die Überlegungen zur Finanzierung des Wiederbeginns der Festspiele führten erneut auf den Stiftungsgedanken. Am 23. Mai 1921 wurde auf einer Versammlung von Vertretern des »Allgemeinen Richard-Wagner-Verbands«, des »Bayreuther Bundes«, des »Richard-Wagner-Verbands Deutscher Frauen«, der »Richard-Wagner-Gedächtnisstiftung« und anderer Wagner-Vereine in Leipzig die Gründung der »Deutschen Festspiel-Stiftung Bayreuth« beschlossen. Doch bereits nach kurzer Zeit hatte sich Siegfried Wagner gegen Einmischungsversuche der Leipziger Zentralleitung der ►Wagner-Vereine, die in Personalunion auch als Verwaltungsräte der »Deutschen Festspielstiftung« amtierten, zur Wehr zu setzen. Nachdem die Stiftung jedoch bereits 1924 aus Geldmangel praktisch handlungsunfähig geworden war, versank sie in den Folgejahren in der Bedeutungslosigkeit und wurde schließlich 1929 aufgelöst.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieben Festspielhaus sowie die Nachlässe Richard, Cosima und Siegfried Wagners zunächst in Familienbesitz. Nach dem Tod Wieland Wagners am 17. Oktober 1966 begannen Überlegungen, die Bayreuther Festspiele auf einer rechtlich breiteren institutionellen Grundlage zu verankern und so eine dauerhaft gesicherte Zukunftsperspektive zu schaffen und zu gewährleisten. Ausgangspunkt war dabei das gemeinschaftliche Testament Siegfried und Winifred Wagners vom 8. März 1929, nach welchem Winifred Wagner nach dem Tod Siegfried Wagners am 4. August 1930 Alleinerbin und Vorerbin ihrer vier Kinder, diese wiederum Nacherben zu gleichen Teilen geworden waren. Bereits in diesem Testament wurde die bindende Festlegung getroffen: »Das Festspielhaus darf nicht veräußert werden. Es soll stets den Zwecken, für die es sein Erbauer bestimmt hat, dienstbar gemacht werden, einzig also der festlichen Aufführung der Werke Richard Wagners.« (W. Wagner, Lebens-Akte, S. 443).

Nach langjährigen und komplizierten Verhandlungen wurde schließlich mit Urkunde vom 2. Mai 1973 die »Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth« als rechtsfähige und gemeinnützige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts errichtet, die auf dieser Grundlage bis heute besteht. Neben den Mitgliedern der Familie Wagner traten die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, der Regierungsbezirk Oberfranken und die Stadt Bayreuth sowie die Oberfrankenstiftung, die Bayerische Landesstiftung und die Mäzenatenvereinigung der ►»Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V.« der Stiftung bei. Als Stiftungszweck wurde die Bestimmung aus dem gemeinschaftlichen Testament Siegfrieds und Winifred Wagners in die Stiftungssatzung übernommen, »das Festspielhaus dauernd der Allgemeinheit zu erhalten und zugänglich zu machen und stets den Zwecken dienstbar zu machen, für die es sein Erbauer bestimmt hat, also einzig der festlichen Aufführung der Werke Richard Wagners«. Als weitere Stiftungsaufgaben wurden festgelegt, »den künstlerischen Nachlaß von Richard Wagner dauernd der Allgemeinheit zu erhalten«, »die Richard-Wagner-Forschung zu fördern« und »das Verständnis für die Werke Richard Wagners insbesondere bei der Jugend und beim künstlerischen Nachwuchs zu fördern.« (Wagner, Lebens-Akte, S. 449).

Zu diesem Zweck übereignete die Familie Wagner der Stiftung unentgeltlich das Festspielhaus samt Nebengebäuden und Liegenschaften. Die Stiftung vermietet das Festspielhaus im Gegenzug an den Festspielunternehmer, vorzugsweise ein Mitglied der Familie Wagner, zur Durchführung der Bayreuther Festspiele (derzeit Wolfgang Wagner, zunächst in Privathaftung, seit 1988 als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der »Bayreuther Festspiele GmbH«). Bereits mit Schenkungsvertrag vom 24. April 1973 war das Haus Wahnfried in das Eigentum der Stadt Bayreuth übergegangen, die auch das angebaute »Siegfried-Wagner-Haus« für 600.000 DM käuflich erwarb. Das von der Familie Wagner für 12,4 Mio. DM an die Bundesrepublik Deutschland, die Oberfrankenstiftung und die Bayerische Landesstiftung verkaufte ►Richard-Wagner-Familienarchiv (Richard-Wagner-Archiv/Wahnfried-Archiv) wurde der Richard-Wagner-Stiftung ebenso als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wie das Haus Wahnfried von der Stadt Bayreuth, um dort zum 100jährigen Jubiläum der Bayreuther Festspiele ein ►Richard-Wagner-Museum (mit ►Nationalarchiv und Forschungsstätte) zu errichten. Der Freistaat Bayern verpflichtete sich zur Zahlung laufender jährlicher Zuschüsse für die Erfüllung des Stiftungszwecks.

Die Organe der Stiftung sind Vorstand und Stiftungsrat. Der Vorstand besteht aus je einem Vertreter der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern sowie dem Festspielleiter bzw. einem Familienmitglied. Der Vorstand vertritt die Stiftung nach außen, bereitet die Beratungen und Entscheidungen des Stiftungsrats vor und bestellt zur Erledigung der laufenden Stiftungsangelegenheiten einen Geschäftsführer, für dessen Posten die Stadt Bayreuth den jeweiligen Oberbürgermeister benennt, der an den Vorstandssitzungen mit beratender Stimme teilnimmt. Der Stiftungsrat stellt als Vollversammlung der Stifter den Haushaltsplan der Stiftung auf und entscheidet über die Vermietung des Festspielhauses ebenso wie über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Die 8 Stifter haben zusammen 24 unterschiedlich gewichtete Stimmen: So entfallen auf die Bundesrepublik Deutschland und den Freistaat Bayern je 5 Stimmen, die Familie Wagner hat 4 Stimmen (für jedes Kind Winifred Wagners je eine Stimme), es folgt die Stadt Bayreuth mit 3 Stimmen, der Bezirk Oberfranken, die Bayerische Landesstiftung und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V. mit je 2 Stimmen sowie die Oberfrankenstiftung mit einer Stimme.

 

Literatur:

M. Karbaum, Studien zur Geschichte der Bayreuther Festspiele (1876–1976), Regensburg 1976. ·König Ludwig II. und Richard Wagner. Briefwechsel, hrsg. v. Wittelsbacher Ausgleichsfonds / W. Wagner, Karlsruhe 1936. · C. Wagner: Die Tagebücher, 2 Bde., München 1976/77. · R. Wagner, Vorwort zur Herausgabe des Bühnenfestspiels »Der Ring des Nibelungen«, in: Sämtliche Schriften und Dichtungen, Volksausgabe, Bd. 6, Leipzig o.J., S. 272ff. ·W. Wagner, Lebens-Akte, München 1994.